Müssen wir Prophylaxe neu denken?
„Prophylaxe neu denken“ lautete die Headline eines Artikels in einer zahnmedizinischen Fachzeitschrift, der mir sogleich ins Auge fiel. Ich musste den Artikel bis zum Ende lesen für den für mich entscheidenden Satz:
„Der Dreiklang aus Diagnostik, Dysbiose-Management und sprechender Zahnmedizin könnte so gesehen die bestehenden Säulen der Prophylaxe sinnvoll ergänzen und weiter aufwerten.“
Darum soll es heute gehen. Aber lassen wir den Satz erst einmal so stehen.
Prävention und Prophylaxe genießen hohen Stellenwert
Meine geschätzten Patienten wissen, dass Prävention und Prophylaxe in meiner Praxis absolut im Vordergrund stehen.
Generell lässt sich inzwischen sagen, dass in der Zahnmedizin die Bedeutung von Prävention und Prophylaxe stetig zunimmt. Dies wird z.B. jedes Jahr im November am Tag der Zahngesundheit erneut betont, der mittlerweile eine etablierte Veranstaltung ist. Dadurch wird das Bewusstsein für Vorsorge bei unseren Patientinnen und Patienten kontinuierlich gestärkt.
Orale Gesundheit und Allgemeingesundheit hängen zusammen
Es ist auch mittlerweile unbestritten, dass die Gesundheit des Mundes eng mit der Gesundheit des gesamten Körpers zusammenhängt. Es wurden zahlreiche Studien durchgeführt, die gezeigt haben, welch großen Einfluss eine gesunde Mundhöhle auf die allgemeine Gesundheit hat. Dabei geht es nicht nur um die Zähne, sondern auch um andere Aspekte. Im Laufe der Jahre hat sich das Verständnis für Prävention, das Zahnarztpraxen als Prophylaxe professionell umsetzen, stetig weiterentwickelt und verfeinert.
Warum also sollten wir Prophylaxe neu denken?
Ein Dreiklang aus Diagnostik, Dysbiose-Management und sprechender Zahnmedizin soll die bestehenden Säulen der Prophylaxe sinnvoll ergänzen und weiter aufwerten.
Als nächstes klären wir erstmal die Begriffe. Dann juckt es mich natürlich in den Fingern, unsere langjährig erfolgreiche SOLO-Prophylaxe dem Geforderten oder sagen wir, dem was empfohlen wird, gegenüberzustellen. Denn es interessiert mich natürlich brennend, ob ich in meiner Praxis auch etwas neu denken muss? Ob ich alles beim Alten lassen kann oder doch etwas ergänzen sollte?
Fangen wir an mit Dysbiose-Management, denn da müssen wir etwas weiter ausholen.
Eine gesunde Mundhöhle hat eine Barrierefunktion
Wir erinnern uns noch deutlich an die Corona-Pandemie. Sie hat besonders deutlich gezeigt, wie wichtig die Barrierefunktion einer gesunden Mundhöhle ist. Eine Parodontitis schwächt das Immunsystem des Körpers signifikant, indem sie diese natürliche Barrierefunktion herabsetzt.
Symptome einer Allgemeinerkrankung können sich nicht nur schon In der Mundhöhle manifestieren. Vielmehr kann mangelnde Mundgesundheit eine Erkrankung auch an einer ganz anderen Stelle im Körper auslösen.
Die Rolle des Mikrobioms in der Mundhöhle rückt somit zunehmend intensiver in den Fokus. Viele Studien haben große Auswirkungen auf den Status „gesund“ oder „krank“ belegt, je nachdem wie dieses Mikrobiom zusammengesetzt ist. Gleichzeitig untersucht man alternative Methoden. Welchen Einfluss hat z.B. eine ausgewogene Ernährung? Können Probiotika das orale Mikrobiom positiv beeinflussen?
Was ist orales Dysbiosemanagement?
Ich schreibe oral, denn das Thema gibt es auch und insbesondere für den Darm. Dysbiose bezeichnet eine Störung des Gleichgewichts des oralen Mikrobioms, das aus nicht weniger als 700 einzigartigen Bakterien gebildet wird, ganz zu schweigen von vielfältigen Pilzen, Viren und weiteren Mikroorganismen. Bei der Dysbiose ist dieses Gleichgewicht hin zu krankmachenden Keimen verschoben.
Orales Dysbiosemanagement bezieht sich auf die Verwaltung und Regulation des Mikrobioms in der Mundhöhle, um ein Gleichgewicht der oralen Mikroorganismen aufrechtzuerhalten oder wiederherzustellen. Dies kann durch Maßnahmen wie die Förderung gesunder Bakterien, die Kontrolle von Entzündungen und die Reduzierung schädlicher Mikroorganismen erfolgen. Ziel ist es, die Mundgesundheit zu verbessern und damit verbundene Probleme wie Karies und Zahnfleischerkrankungen zu minimieren.
Bei unserem Dreiklang werden nun zuverlässige mikrobiologische Tests gefordert, die am besten direkt am Zahnarztstuhl eingesetzt werden können. Die Idee ist, direkt qualitative Aussagen zur Zusammensetzung des oralen Mikrobioms eines Patienten machen zu können. Dabei soll nicht nur der Nachweis der krankmachenden Keime erfolgen. Man möchte darüber hinaus Informationen über das bestehende Gleich- oder Ungleichgewicht in der Mundhöhle erhalten. Mit diesen Informationen könne man wesentlich gezielter therapieren.
Mangelnde Mundhygiene – häufigster Katalysator für ein pathogenes Mikrobiom
Mangelnde Mundhygiene ist zwar der häufigste „Brandbeschleuniger“ für ein krankmachendes Mikrobiom, aber nicht der einzige.
Systemische Erkrankungen spielen ebenfalls eine wichtige Rolle. Diabetes kann beispielsweise sowohl den Darm als auch das orale Mikrobiom stören und die schnelle Verbreitung pathogener Bakterien fördern.
Hohe Speicheldrüsenglukosespiegel, die oft bei Patienten mit Diabetes beobachtet werden, können säurebildende Bakterien begünstigen und das Risiko für die Entstehung von Zahnkaries erhöhen.
Schließlich können auch der Lebensstil und die Genetik eine Rolle bei der Beeinflussung des oralen Mikrobioms spielen. Rauchen, übermäßiger Alkoholkonsum, schlechte Ernährung und wenig Bewegung – zusammengefasst ein ungesunder Lebensstil – begünstigen ebenfalls die Dysbiose, mit anderen Worten sie begünstigen das Ungleichgewicht. Entstehen in der Folge Entzündungen, kann es in fortgeschrittenen Stadien schnell zu Parodontitis und Knochenverlust kommen.
Womit wir bei einem weiteren Punkt des Dreiklangs wären, der sprechenden Zahnmedizin.
Was versteht man unter sprechender Zahnmedizin?
In letzter Zeit hört man immer öfter von „Sprechender Zahnmedizin“, aber nur wenige können wirklich auf den Punkt bringen, worum es geht. Tatsächlich spielt sie jedoch eine immer wichtigere Rolle im Alltag eines Zahnarztes.
Aber was ist „Sprechende Zahnmedizin“? Es geht jedenfalls weit über die Abrechnungsposition „Beratung eines Patienten, auch telefonisch“ hinaus. Es bezieht sich vielmehr auf die Art und Weise, wie Zahnärzte mit ihren Patienten kommunizieren, um deren individuelle Gesundheitsgeschichte zu verstehen, sie zu motivieren, gesundes Verhalten zu fördern und sie auf ihrem Gesundheitsweg zu begleiten. Dies erfordert Zeit, Fachwissen, Erfahrung und Einfühlungsvermögen.
Kommunikation ist genauso wichtig wie die fachlichen Kenntnisse in Diagnose, Therapie und Behandlung. Kommunikation bedeutet, den Patienten auf seinem Weg zu lebenslanger Mundgesundheit zu unterstützen und ihm die bestmögliche zahnärztliche Versorgung zu bieten.
Parodontitis-Richtlinie enthält Elemente der sprechenden Zahnmedizin
Ende 2020 wurde endlich eine Richtlinie für die systematische Behandlung von Parodontitis eingeführt. Interessanterweise wurden erstmals Aspekte der „sprechenden Zahnmedizin“ in die Parodontitistherapie integriert, wie das „parodontologische Aufklärungs- und Therapiegespräch“ sowie die „patientenindividuelle Mundhygieneunterweisung“.
Das Ziel war es, das Wissen über die Mundgesundheit und insbesondere die Fähigkeit zur Mundhygiene bei den Patienten zu verbessern und sie aktiv in ihre Behandlung einzubeziehen. Auch der Aspekt der Langzeitwirkung wird mit der „unterstützenden Parodontitistherapie“ berücksichtigt, sozusagen eine strukturierte Nachsorge. Patienten können sie bis zu zwei Jahre nach Abschluss der Hauptbehandlung in Anspruch nehmen.
Der Dreiklang SOLO-Prophylaxe
Sprechende Zahnmedizin ist in meiner Zahnarztpraxis seit vielen Jahren Bestandteil meiner Praxisphilosophie. Eine umfassende Patientenschulung betreibe ich im Prinzip, seit ich SOLO-Prophylaxe eingeführt habe.
Das Aufklärungs- und Therapiegespräch beginnt in der Regel mit einem Vortrag, den ich jeden Monat in meiner Praxis anbiete. In dieser guten Stunde erfahren meine Patienten die Hintergründe, warum Prophylaxe so wichtig ist. Ich erkläre ihnen, dass die ursächliche Ursache für Zahnkrankheiten krankmachende Bakterien sind und dass ein ausgeglichenes orales Mikrobiom langfristig für einen guten Mundhygienezustand und Zahngesundheit sorgt. Sie lernen auch, warum die Zahnpflege mit einer herkömmlichen Zahnbürste wenig bewirkt.
Stellen Sie sich nun vor, Sie hätten ein Zahnpflegesystem, das es Ihnen ermöglicht, Ihre Zähne auch zu Hause mit ähnlichem Erfolg zu pflegen wie bei einer SOLO-Prophylaxe in unserer Praxis. Zahnkrankheiten vermindern sich, Mundgesundheit verbessert sich und im Idealfall brauchen Sie kaum noch Unterstützung durch Ihren Zahnarzt in Form eines Prophylaxe-Termins.
Dysbiose, verursacht durch mangelnde Mundhygiene, verhindert SOLO-Prophylaxe wirksam. Ebenso sind alle meine Patienten, die sich für SOLO-Prophylaxe entscheiden, gesundheitsbewusste Patienten. Sie neigen also grundsätzlich eher zu einem gesunden Lebensstil. Einen mikrobiologischen Test zum Nachweis eines Ungleichgewichts des Mikrobioms in der Mundhöhle müsste ich also nur in begründeten Ausnahmefällen machen.
Mit gründlicher Diagnostik wird der Mundhygienestatus im System der SOLO-Prophylaxe dokumentiert. Schlussendlich ist das die sinnvolle Entscheidungsgrundlage dafür, wie oft Patienten zur Vorsorge in meine Praxis einbestellt werden. Manche Patienten bestellen wir mehrmals pro Jahr, andere hingegen bräuchten keinen Termin.
Die meisten unserer Patienten kommen trotzdem ein- bis zweimal im Jahr zur Kontrolle, weil sie sich sicherer fühlen.
Fazit:
Ich stelle fest, ich habe Prophylaxe schon vor vielen Jahren neu gedacht, nämlich zu dem Zeitpunkt als ich SOLO-Prophylaxe in meiner Praxis eingeführt habe.
Habe ich Interesse geweckt? Auf unserer Homepage finden Sie immer aktuelle Vortragstermine. Eine gute Information schadet nie!
Herzlichst
Ihr Zahnarzt Dr. Wunderlich
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